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Zentrale Steuerung über SAP EWM – Die Vor- und Nachteile

Unterschiedliche Techniken harmonisiert anbinden

Blogreihe: Logistik-Automatisierung und SAP EWM im Pandemie Umfeld, Teil 4

Im letzten Beitrag ging es darum, die Planung und Aufgaben für die Realisierung eines Projekts zu erstellen. Jetzt werden die Vorteile einer zentralen Steuerung betrachtet und welche Voraussetzungen für diese gegeben sein muss.

Ist eine komplette Steuerung über EWM überhaupt sinnvoll?

Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Zwar ist eine komplette Steuerung über SAP EWM möglich und sinnvoll, jedoch hängt die Entscheidung darüber von vielen verschiedenen Faktoren ab. Der große Vorteil von SAP EWM ist, dass es bereits hoch integriert in die Prozesse des ERP (SD, MM, QM, EHS, …) ist und auch mit Schnittstellen anderer Systeme verbunden werden kann. Zudem bietet SAP die meisten Möglichkeiten für die Optimierung von Prozessen, da sämtliche Informationen in einem System gleichzeitig zur Verfügung stehen können. Beispielsweise die Positionsfahrten von Regalbediengeräten (RBGs) zur Performanceoptimierung bei der Ein- und Auslagerung.

 


Wie bereits im vorherigen Beitrag erwähnt, können auch bestehende Lager auf SAP EWM umgerüstet und mit einer an die existierende speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) angepassten Schnittstelle gesteuert und verwaltet werden.Dabei spielt der Kostenfaktor eine große Rolle. Die alten Systeme müssen analysiert und in das neue System integriert werden. Dies kann mit viel Aufwand verbunden sein, da die alten Schnittstellen bereits seit Jahren im Einsatz sind. So lange, dass die Firmen der alten Schnittstelle teilweise nicht mehr existieren oder nicht mehr für diese zuständig sind. Durch fehlerhafte oder keine vorliegende Dokumentation wir die Umstellung dadurch erschwert.

Es muss immer abgewägt werden, ob eine Erweiterung des Bestandssystems oder eine Neueinrichtung am sinnvollsten ist.

Um die Schnittstellen bereits bestehender Systeme zu analysieren, arbeitet IT-Forum  mit eigenen Netzwerkanalysetools. Dadurch lässt sich die bisherige Kommunikation entschlüsseln, auch wenn keine Dokumentation mehr von dieser vorliegt. Was ein sogenanntes  „Sniffing“-Tool ist und wie damit in vergangenen Projekten gearbeitet wurde, wird im folgenden Abschnitt erläutert.

Sniffing-Tool

Dabei handelt es sich um eine Software, die den Datenverkehr eines Systems analysieren und darstellen kann. Sie wird an einem kabellosen beziehungsweise kabelgebundenen Netzwerk zwischen geschaltet. Dort erfasst sie den Datenverkehr und speichert diesen als Kopie in einem separaten Verzeichnis. IT-Forum hat dazu TeleMining und TelePort entwickelt. Dabei wird die Kommunikation der Schnittstelle mitgeschnitten. Danach erfolgt eine Auswertung der aufgezeichneten Informationen mit der Suche nach auffälligem, wiederkehrendem Inhalt. Ein sogenannter Dissector bringt dann Struktur in den Telegrammstring. 

Erfahrung aus der Praxis: In einem Projekt sollte das vorhandene Lagerverwaltungssystem (LVS) inklusive des Materialflussrechners (MFR) abgelöst werden. Die Schnittstelle der Fördertechnik stellte dabei kein Problem dar. Sie war dem EWM-Standard nah aufgebaut und der SPS-Programmierer war vor Ort direkt ansprechbar. Größere Probleme gab es bei der Schnittstelle der Regalbediengeräte (RBG). Es gab weder Informationen zu den Geräten noch eine Schnittstellenbeschreibung. Sie war komplett unbekannt. Die einzige Möglichkeit herauszufinden, wie diese aufgebaut war, bestand darin, direkt auf den Netzwerkverkehr zu schauen. Der Datenaustausch der Geräte wurde über einen längeren Zeitraum im Netzwerk durch ein Sniffing-Tool aufgezeichnet und analysiert. Es stellte sich heraus, dass die RBGs, wie bei anderen Herstellern auch, mit Telegrammen kommunizierten. Allerdings waren es nicht ASCII-codierte Telegramme, welche SAP EWM für die Kommunikation benötigt, sondern waren diese binär codiert. Doch auch für dieses Problem hatte unser Team eine Lösung.

Unser konfigurierbares Binärwandler-Tool TelePort konnte zwischen der Plant Connectivity und der SPS-Schnittstelle eingesetzt werden und ähnlich eines Simultandolmetschers zwischen Binär und ASCII übersetzen. Durch die Auswertung des Datenverkehrs in Verbindung mit anderen Informationen wie z.B. Screenshots aus dem alten LVS, konnten wir die für die Anbindung an EWM essenziellen Teile der Schnittstelle dekodieren.

 


Möglichkeiten der Anbindung und weniger detaillierte Anbindung

Bei der Entscheidung hinsichtlich der Anbindung von Fremdsystemen an das SAP EWM ist auch immer der Umfang des Projekts zu berücksichtigen. Wie viele Fremdgewerke sind in dem Lagerprozess involviert? Je mehr Bereiche mit dem EWM verknüpft werden sollen, desto aufwendiger und kostspieliger wird es.

 

Möglich ist auch eine weniger detaillierte Anbindung des EWM, bei der nur die Beförderung in die Gasse angestoßen wird und ab dem Zeitpunkt der Übergabe auf die Fördertechnik die SPS die Steuerung und Überwachung übernimmt, sowie eine detaillierte Steuerung und Überwachung der Prozesse von der Beauftragung bis hin zur Ein- und Auslagerung am jeweiligen Lagerplatz durch das EWM.

 

 

Das folgende Beispiel zeigt, wie eine Kombination aus verschiedenen Systemen und Fremdgewerken in einem Lager umgesetzt werden kann.

Erfahrung aus der Praxis: In einem automatisierten Lager wurde die Fracht, die ein- und ausgelagert werden soll, mit Hilfe einer Elektrobodenbahn (schienengeführte Fahrzeuge / Monorail) durch das Lager befördert. Sie transportierte außerdem die Frachtpaletten zu verschiedenen Stationen, wie zum Beispiel Roboterbereiche und Kommissionierplätze. Die Fördertechnik transportierte deswegen die Paletten zu Übergabepunkten, von denen aus die Paletten auf der Monorail platziert werden konnten.

Durch die Komplexität der Anlage mussten viele unterschiedliche Systeme miteinander zusammenarbeiten. Die Kommunikationen zwischen den verschiedenen Systemen (Fördertechnik, Monorail, Kommissionierroboter, RBG, …) erfolgte dabei durch den Informationsaustausch mit Telegrammen. In ihnen wurden alle wichtigen Informationen für die jeweilige Fracht auf den Paletten festgehalten. Durch SAP EWM wurden die Paletten vom Wareneingang zu den Übergabepunkten von der Monorail beauftragt. Nachdem die Paletten erfolgreich am Punkt angekommen waren und auf einen Monorailwagen übergeben wurden, übernahm die Steuerung der Monorail die Zielkoordinaten aus dem SAP EWM-Auftrag und fuhr die Palette an den entsprechenden Übergabepunkt der Hochregallager-Vorzone. 


Wenn die Übergabe erfolgreich abgelaufen ist, wurde dies von der Fördertechnik an das EWM zurückgegeben. Daraufhin beauftragte das EWM die Palette weiter zu den RBG, mit dem dann die Einlagerung in das entsprechende Fach durchgeführt wurde.

Dieses Beispiel zeigt, wie gut unterschiedliche Techniken und Systeme miteinander kombiniert werden können. Die Daten zu der jeweiligen Fracht wurden durch SAP ERP erhoben und durch das EWM konnte die Lagersteuerung, -analyse und -optimierung durchgeführt werden. Für den Transport der Fracht wurden die Informationen aus dem SAP an die anderen Systeme übermittelt, die dann den Transport beziehungsweise die physische Abwicklung der einzelnen Aufträge durchgeführt hat.

Zusammenfassung und Überblick

Zum Abschluss noch einmal die Vor- und Nachteile einer kompletten Steuerung mit SAP EWM.

Ihre Logistik. Unsere Priorität

Dieser Artikel ist Teil unserer gemeinsamen Blogreihe "Logistikautomatisierung im Pandemie-Umfeld"  mit unserem Partner der Priotic GmbH, die für effiziente und zukunftsorientierte Logistik steht.

 

Weitere Artikel der Blogreihe:

Teil 1: Blueprint – der Anfang aller Prozesse

Teil 2: Vorteile einer Logistik-Automatisierung im Pandemie-Umfeld

Teil 3: Anlagenplanung - Dos & Don'ts